buntES die Intergenerative & Interkulturelle Interessengemeinschaft in Esslingen
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ANICETA WETZEL (Philippinen) erzählt...

 

Mein Name ist Aniceta Wetzel geb. de la Cruz. Geboren bin ich 1947 in Manila, der Hauptstadt der Philippinen. Als Krankenschwester kam ich 1971 nach Deutschland. Jetzt bin ich im Ruhestand und leite seit 2008, ehrenamtlich, die buntES -Trommel- und Tanz Kids.

 

Auslandserfahrung wollte ich schon immer gerne machen, aber nicht direkt in Deutschland.  In den 70er Jahren gab es in Deutschland in der Krankenpflege einen Arbeitskräftemangel. Ich bewarb mich in Deutschland als Krankenschwester und gleichzeitig auch für eine Stelle in den USA. Die erste Antwort erhielt ich aus Deutschland, deshalb brach ich  zusammen mit zwei anderen philippinischen Krankenschwestern nach Deutschland auf. Mein erster Arbeitsplatz war in einem Krankenhaus in Sigmaringen.

 

Ich kam am 31.August 1971 an. Mitten im Sommer aber trotzdem habe ich gefroren. Klar, wenn man aus einem tropischen Land wie den Philippinen kommt, in dem die Temperatur über 30°C liegt, friert man ja hier schon mit 22°C. Was mir in Deutschland sofort auffiel war, dass es hier rundum ruhiger zugeht als auf den Philippinen.

 

In der Zeit des akutem Arbeitskräftemangels mussten angeworbene ausländische Krankenpflegekräfte nicht die deutsche Sprache beherrschen. Hauptsache man kam schnell.  Man wurde sofort in einem Krankenhaus eingestellt, denn die Krankenschwestern wurden dringend gebraucht. Ich kam also hier ohne Deutschkenntnisse an. Allerdings hatte ich Glück, da die deutschen Kolleginnen und Kollegen, im Krankenhaus Sigmaringen, nett und hilfsbereit waren.

 

Für die Patienten wiederum war ich exotisch: braune Haut, schmale Augen, schwarze Haare. Eine Patientin war sogar von meinen kleinen Ohren entzückt! In den 70er Jahren gab es in Sigmaringen noch nicht viele Leute aus Asien. Die Patienten waren froh, wenn wir auf die Station kamen, weil wir immer gute Laune hatten und gerne lachten. Lachen mag ich übrigens bis heute auch noch gerne! Außerdem merkte ich auch, dass Leute uns auf der Straße ein paar Mal anschauten, weil wir eben anders aussahen.

 

Das Leben in Deutschland war am Anfang schwer, vor allem wenn man die Sprache nicht kann. Die deutsche Sprache zu beherrschen ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Als ich noch nicht richtig deutsch konnte, gab es viele Missverständnisse. Nachzufragen fiel mir schwer, weil ich nicht wusste, wie ich es ausdrücken sollte. Wenn ich zurückschaue, merke ich, dass ich damals oft beleidigt war, weil ich Dinge nicht verstand. Immer fragen, wenn ich nicht verstehe, ist mein wichtigster Vorsatz! Natürlich half es mir auch, dass ich viele Kontakte mit deutschsprachigen Leuten hatte.

 

Eine kleine Enttäuschung hatte ich zu Beginn meiner Zeit als Krankenschwester in Deutschland. Auf den Philippinen trägt eine Krankenschwester weiße gebügelte Arbeitskleidung mit einem Namenschild und sie trägt eine Krankenschwesternhaube. Sie hat bestimmte Aufgaben, die quasi einer Assistentin eines Arztes entspricht. Ihre Aufgabe als Krankenschwester ist anders als die Aufgabe einer Nursing Aid, also einer Art Krankenschwesterhelferin. In Deutschland hatte ich zwar ein Namenschild aber keine Haube und ich musste alles machen; von Spritzen geben bis Boden wischen. Außerdem benutzen die Krankenschwestern hier oft "Schlappen" während in den Philippinen geschlossene weiße Schuhe getragen werden. Tja, anderes Land, andere Sitte.     

 

Mittlerweile fühle ich mich hier sehr wohl. Deutschland ist meine Wahlheimat. Hier habe ich alles: meinen Mann, meine Kinder und Enkelkinder, meinen Freundeskreis und meine ehrenamtliche Tätigkeit. Nichtsdestotrotz ist ein Teil von mir philippinisch geblieben. Besonders zur Weihnachtszeit denke ich oft an meine Familie und an meine Kindheit auf den Philippinen. Ich schwärme immer noch von den exotischen Früchten, die auf den Philippinen wachsen. Die Palmen, Sterne am Himmel und das Geräusch des Meeres sind in meiner Erinnerung lebendig wenn ich an die Philippinen denke.

 

Ich habe wirklich alles. Aber wenn man mich fragt wovon ich träume, habe ich doch noch einen Traum. Jetzt bin ich gerade dabei meinen Traum zu verwirklichen: Ein Projekt für Kleinkinder auf den Philippinen - eine Betreuung für arme Kinder. Diese Kinder sollten die Chancen haben, ein paar Stunden der Woche wie im Kindergarten etwas zu lernen und zu spielen. Ich suche noch finanzielle Unterstützung und interessierte Menschen/Gruppen für dieses Projekt.

 

Was mir hierzulande gefällt, ist die Ordnung. Alle haben Ordnung, alles ist geregelt und organisiert. Die Stadt Esslingen bittet viele Möglichkeiten auch für Menschen mit Migrationshintergrund. Ich bin zufrieden mit den Dienstleistungen und der Infrastruktur, die Esslingen für ihre Einwohner zur Verfügung stellt.

 

Für mich bedeutet Integration miteinander zusammenzuleben und mitzuwirken. Offenheit für die unterschiedlichen Kulturen ist wichtig. Impulse geben und Interesse zeigen sollte ein beidseitiges Geben und Nehmen sein. Dadurch erreicht man mehr Verständnis füreinander. Das wünsche ich mir als Esslingerin weiterhin für eine tolerante Stadt wie Esslingen. [Adi]

 

Der Text basiert auf einem Interview mit Aniceta Wetzel. Interviewerin/Verfasserin: Adiyanti Sutandyo-Buchholz

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