buntES die Intergenerative & Interkulturelle Interessengemeinschaft in Esslingen
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Mathy erzählt seine Geschichte:

Ich bin Mathy und ca. 50 Jahre alt. Seit ungefähr 17 Jahren lebe ich in Deutschland. Esslingen ist mein zu Hause, denn ich fühle mich als Esslinger. Meine drei Kinder wurden in Deutschland geboren.

 

Bis 1998 lebte ich in Sri Lanka, genauer gesagt in Jaffna, im Norden Sri Lankas. Für uns Tamilinnen und Tamilen war das Leben bis 2009 nicht einfach, ja sogar gefährlich. Von 1978 bis 2009 gab es einen Bürgerkrieg zwischen der tamilischen und singhalesischen Ethnie. Ich hatte sechs Geschwister. Mein Vater wurde von einer Bombe, die von singhalesischen Truppe geworfen wurde, getötet. Meine drei Brüder wurden ebenfalls von den singhalesischen Soldaten ermordet. Ich saß selber viermal im Gefängnis. Jedes Mal wurde ich gegen Bezahlung freigelassen. Im Gefängnis erlebte ich stets körperliche Gewalt. Dort saßen Hunderte von Tamilinnen und Tamilen.

 

Die Singhalesen sind die ethnische Mehrheit in Sri Lanka. Ca. 70% der Bevölkerung in Sri Lanka sind Singhalesen, deren Religion der Buddhismus ist. Die 30% Tamilen, die Hindus sind, leben meisten bis heute in Jaffna, der zweitgrößten Stadt in Sri Lanka. Der Bürgerkrieg hatte wenig mit den unterschiedlichen Religionen zu tun, sondern mehr mit der Machtverteilung zwischen den beiden Ethnien. Die Singhalesen dominierten damals in allen Bereichen und unterdrückten die Tamilen mit viel Gewalt. Meine Mutter und eine Schwester waren einige Jahre vor mir bereits nach Deutschland geflohen. Nach dem Tod meines Vaters und meiner Brüder und weil mein Leben ständig in Gefahr war, floh ich nach Deutschland. Meine Geschwister flohen in anderen Ländern. Heute lebt niemand mehr von meiner Familie in Sri Lanka.

 

Für die Reise nach Deutschland bezahlte ich bis 24.000 DM. Das Geld hatte ich in vielen Jahren gespart und zahlreiche Verwandte unterstützten mich finanziell. Diese Summe gab ich fast vollständig an einen Schlepper aus, der angeblich an die unterschiedlichen Leute und Behörden weiterzahlen musste. Mitte 1998 flog ich nach Deutschland und kam in Karlsruhe an. Nach vier Wochen in der Erstaufnahmestelle wurde ich nach Stuttgart in ein Flüchtlingsheim versetzt. Dort lebte ich eineinhalb Jahre. Es gab viele Flüchtlinge aus unterschiedlichen Kontinenten, aus Asien, Afrika, Osteuropa. Die Männer lebten in einem Gebäude. In einem anderem Gebäude waren die Frauen. Wir hatten aber einen gemeinsamen Raum, wo wir uns alle treffen konnten. Ich wohnte mit drei anderen Tamilen in einem kleinen Zimmer, ca. 15m² groß. Insgesamt waren 20 Tamilinnen und Tamilen in der Flüchtlingsunterkunft. Zwischen uns entstand eine gute Freundschaft. Mit einigen habe ich bis heute noch Kontakt. Kontakte mit den Flüchtlingen aus anderen Ländern hatte ich u.a. aufgrund der Sprachbarriere nicht.

 

Lebensmittel, Kleidung und Schuhe standen vor Ort zur Verfügung. Wir bekamen keine Gutscheine. Stattdessen bekamen wir Sachen, die in der Flüchtlingsunterkunft bereit gestellt wurden; egal ob sie uns gefielen oder nicht. Kleidung erhielten wir im Sommer und Winter. 80 DM Taschengeld bekamen wir monatlich.

 

Das Leben im Flüchtlingsheim war sehr langweilig. Wir durften weder einen Deutschkurs machen, noch arbeiten. Jeden Tag vertrieben wir uns die Zeit mit Essen, Sitzen, Schlafen. Viel Geld hatten wir ja nicht, dass wir vielleicht Ausflüge machen konnten, umso unsere neue Heimat ein bisschen kennenzulernen.

Foto: Adi

 

Mein erster Asylantrag wurde abgelehnt. Meine tamilischen Verwandten und Freunde, die schon länger in Deutschland leben, halfen mir bei der Suche nach einem Anwalt, um einen neuen Antrag zu stellen. Nach ca. acht Wochen wurde mein Asylantrag genehmigt und ich erhielt ein Bleiberecht in Deutschland. Das war im Jahr 2000. Bis heute besitze ich einen Reiseausweis. Ich nenne  ihn einen "blauen Pass".

 

 Ich muss meinen Reiseausweis alle drei Jahre verlängern lassen. Bis jetzt habe ich noch keinen deutschen Pass beantragt, weil ich noch keinen Einbürgerungstest gemacht habe.

 

Bei einer Restaurantkette bekam ich dann endlich auch meinen ersten Job. Ich zog nach Esslingen. 2002 kam meine zukünftige Frau aus Sri Lanka und wir heirateten. Zurzeit arbeite ich als Angestellter in der Küche einer großen Firma. Ich fühle mich wohl in Esslingen. Ich habe eine feste Arbeit. Meine Kinder gehen ins Gymnasium. Nicht nur mit Tamilen habe ich Kontakte, sondern auch mit Deutschen, insbesondere bei der Arbeit und durch die Kinder.

 

Wenn ich gefragt werde, ob ich nach Sri Lanka zurückkehren möchte, sage ich nein. Der Bürgerkrieg ist zwar offiziell beendet, aber die Tamilen werden von den Singhalesen noch immer unterdrückt. Wir, die Tamilinnen und Tamilen, haben keine richtige Freiheit.

 

Ich kann gut nachvollziehen, welche Angst und Sorge Flüchtlinge von heute haben. Sie hatten Probleme in ihrem Land, darum kommen sie hier. Es wäre kein Problem für mich, wenn eine Fluchtlingsunterkunft neben meiner Wohnung gebaut würde. Alle Menschen sind gleich. Ich habe die Chance in Deutschland bekommen und genauso wünsche ich es mir für die heutigen Flüchtlinge.[Adi]

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