buntES die Intergenerative & Interkulturelle Interessengemeinschaft in Esslingen
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ICH BIN JUDITH

 

Mein Name ist Judith P. Ich bin am 03. September 1993 in Esslingen geboren und hier aufgewachsen. Ich habe hier am Schelztor-Gymnasium mein Abitur gemacht und studiere nun Biologie in Innsbruck. Ich besitze die deutsche Staatsangehörigkeit seit 2009. Bis dahin hatte ich den grauen Pass wie mein Vater, welcher damals aufgrund des Bürgerkriegs in Sri Lanka nach Deutschland geflohen ist. Meine Eltern kommen aus Sri Lanka und haben tamilische Wurzeln. Mein Vater kam 1982 als Flüchtling nach Deutschland. Meine Mutter kam 1988 nach Deutschland, um meinen Vater zu heiraten.

 

Da meine Eltern damals noch kein gutes Deutsch gesprochen haben, haben sie mir zuerst nur die Sprache Tamil beigebracht. Sie wollten nicht, dass ich das falsche Deutsch von ihnen mir aneigne. Die deutsche Sprache habe ich dann im Kindergarten gelernt. Bis jetzt wird zu Hause mit den Eltern aber nur auf Tamilisch gesprochen, mit meiner Schwester rede ich jedoch ausschließlich auf Deutsch. Die Sprache beherrsche ich mittlerweile gut in Wort und Schrift. Dafür habe ich vier Jahre lang jeden Samstag die tamilische Schule besucht. Durch meinen ein-monatigen Aufenthalts in Sri Lanka letztes Jahr, kenne ich mich derweil ziemlich gut aus mit der Heimatkultur meiner Eltern. Ich habe Verständnis für deren Traditional und respektiere diese auch, allerdings folge ich dieser nicht. Wenn ich beispielweise ein Sari für eine tamilische Veranstaltung trage, empfinde ich das immer noch als ein Kostüm und nicht als traditionelle Tracht.

 

Zu meiner Jugendzeit hatte ich schon ab und zu Komplexe aufgrund meiner Hautfarbe. Alles was gegen mich geschah, dafür habe ich immer meiner Hautfarbe die Schuld gegeben. Dabei bin ich gar nicht so viel dunkler. Mittlerweile ist das nicht mehr der Fall. Klar gibt es ab und zu rassistische Anmerkungen, aber ganz offen gesprochen, wo gibt es das nicht? Man macht immer unterschiedliche Erfahrungen mit unterschiedlichen Personen, die schlechten Momente bleiben allerdings besser im Gedächtnis, sodass man Abneigungen gegen gewisse Menschengruppen entwickelt. Das ist zwar traurig, aber leider wahr. Ein Beispiel wäre, dass ich einmal in einem Fernbus als Einzige von der Polizei kontrolliert wurde. Naja, solange sich solche Erfahrungen in Grenzen halten, sollte man meiner Meinung nach einfach lernen, damit umzugehen, und es nicht zu nahe an Herz kommen lassen.

 

Was mich oft stört sind Aussagen wie „Judith? Das ist aber ein deutscher Name.“ oder der Kommentar: „Der Name passt ja gar nicht zur Hautfarbe.“ Viele glauben mir nicht einmal, dass das mein richtiger Name ist. Klar, letzteres ist nicht ernst gemeint, jedoch werde ich dabei trotzdem den Gedanken nicht los, dass der Hintergedanke dieser Person meine Hautfarbe gewesen sei, und er/sie mich doch als Nicht-Deutsche/Deutsche betrachtet. Und für alle, die diesen Abschnitt gerade gelesen haben und sich denken, wieso ich Judith heiße, wir sind eine römisch-katholische Familie und Judith ist ein hebräischer Name aus der Bibel. Viele Menschen sagen mir auch, dass sie sehr erfreut sind zu sehen, wie integriert ich in dieser Gesellschaft bin. Das ist zwar sehr nett gemeint, aber ich sehe diese Aussage ein wenig kritisch.

 

Wie wäre es denn, wenn ich zu einer "weißen" Deutschen sagen würde „Sie sind hier aber sehr gut integriert.“? Ich habe zwar einen Migrationshintergrund, allerdings bin ich hier geboren und aufgewachsen, es wäre doch eher verwunderlich, wenn ich nicht integriert wäre, oder? Wir werden aber auch oft für unsere Hautfarbe beneidet, und dafür wir nicht so schnell einen Sonnenbrand bekommen. Ich habe meistens ein Problem mit der vollkommenen Zugehörigkeit zu einer Kultur. Ich kann mich nicht nur in eine Schublade stecken. Das finde ich einerseits gut und andererseits kompliziert. Durch das Groß werden in zwei verschiedenen Kulturkreisen bin ich viel weltoffener und toleranter gegenüber anderen Kulturen geworden. Wenn man jedoch jemandem erklären möchte in welcher Gesellschaft man sich wohler fühlt, entsteht so ein langer Artikel.

 

Deutschsein bedeutet für mich zu sagen, dass Deutschland mein Vaterland ist und dass Deutsch meine Muttersprache ist, ohne Zweifel oder Unwohlsein. Tamil ist für mich aber auch eine Art zweiter Muttersprache. Ich würde mich persönlich zu 80% als Deutsche und zu 20% als Tamilin einschätzen. Ich habe beispielweise nur zwei tamilische Freunde, dafür aber eine riesige Verwandtschaft und viele tamilische Bekannten durch meine Eltern. Dadurch wird man doch ziemlich geprägt. Auch wenn wir in anderen Ländern und Kontinenten aufwachsen, vereint uns die Sprache. Daher bin ich meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mir die Sprache gelehrt haben. Wenn ich Kinder haben sollte, möchte ich auf jeden Fall, dass sie die Kultur meiner Eltern, also ihre Wurzeln, kennenlernen und die Sprache lernen. Es erweitert den Horizont, und durch das Aufwachsen in verschiedenen Kulturen sammelt man, meiner Meinung nach, nur noch mehr verschiedene Erfahrungen. [Judith]

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